Hugo-Dynamik oder der Umgang mit Emotionen

Turbulente Umfeld Bedingungen und komplexe Aufgaben gehören zum Führungsalltag heute dazu. Gerade in einer solch aufgeheizten und angespannten Situation kommt es auf besonnenes, überlegtes Handeln an. Doch die soziale Tendenz ist eine andere. Denn, wenn in Arbeitsgruppen Probleme auftreten, die man nicht lösen kann oder möchte, passiert es oft, dass anstatt das Problem zu lösen, ein Sündenbock gefunden wird. Dieser oder diese Gruppe muss dann für alles herhalten, was falsch gelaufen ist.

Emotionales Zündeln

Eine Menge emotionaler Mitläufer werden auf diese Person oder Personengruppe zeigen und sich damit Luft verschaffen. Anstatt das Problem zu lösen wird die Schuldfrage gestellt und auf eine Konfliktdynamik ausgewichen. Gemäß des Anthropologen René Girards kommt es zu einem Sündenbockmechanismus, wenn eine Gemeinschaft innerlich gespalten ist, sich bedroht fühlt, verdrängte Themen im Untergrund schwelen, ein hoher Erfolgsdruck besteht und/oder ein polarisierendes Miteinander vorherrscht.

Eskalierende Dynamiken

Eine Person oder Gruppe wird mit vereinfachenden Zuschreibungen für aktuelle Problemstellungen verantwortlich gemacht. Tatsache aber ist, dass in sozialen Systemen nie nur eine Person oder Gruppe verantwortlich ist. Alle Beteiligten tragen durch ihr Verhalten oder Nicht-Verhalten zur aktuellen Situation bei. Um neue Lösungen zu finden kommt es stattdessen auf gesunde Distanz, klare Analyse, das Zulassen und Abwägen unterschiedlicher Blickwinkeln an. Doch oft passiert genau das Gegenteil und die Beteiligten finden sich in emotional aufgeheizten und eskalierenden Dynamiken wieder.

Zu hohe Erwartungen

Auf jeden Einzelnen kommt es an. Anstatt mit zu hohen Erwartungen auf die Anderen zu schauen, ist Selbstreflexion gefragt. Denn immer dann, wenn emotional überreagiert wird, ist dies ein Hinweis darauf, dass un-aufgearbeitete Themen schwelen, die es zu lösen gilt. Wenn zum Beispiel eine Person Schwierigkeiten hat sich durchzusetzen, fühlt sich diese bei Kommentaren wie „Netter Versuch“ eher angegriffen, als wenn dies für sie keine Herausforderung darstellt. Stattdessen wird eine innerlich klar aufgestellt Person mit folgendem Kommentar antworten „Um es noch einmal deutlich zu sagen…“.

Überreaktion

Das Gleiche gilt beispielsweise in der Familie. Eine Familienfeier eskaliert, weil ein Mitglied sich respektlos behandelt fühlt. Der Angreifer zeigt keine Einsicht und zieht andere Familienmitglieder auf seine Seite. Derjenige, der sich zuvor gewehrt hat, wird nun für die gekippte Stimmung verantwortlich gemacht – eine ungute Dynamik nimmt seinen Lauf.

Doch niemand ist letztlich in der Lage Gefühle und Reaktionsweisen einer anderen Person aufzuzwingen. Es liegt in der eigenen Hand, die Situation klar wahrzunehmen, entsprechend zu reagieren und damit umzugehen. Entscheidend ist, wie das Geschehene interpretiert wird.

Gekonnt kontern

Auf verbale Angriffe gekonnt zu kontern oder durch Anwendung der Frage-Technik die Attacken ins Aus laufen zu lassen – will gelernt sein. Angemessen zu reagieren ist oft nicht einfach, denn die eigenen unbewussten Schwachstellen sind Einfallstore für Manipulationen und Überreaktionen.

Jemand bringt zum Beispiel ein paar Kilos zu viel auf die Waage. Die Person wird sich bei den Worten „Hat es gestern mal wieder gut geschmeckt“ eher angegriffen fühlen und entsprechend reagieren als jemand, der diesbezüglich mit sich im Reinen ist. Mehr noch – wahrscheinlich wird dieser Satz gar nicht erst fallen.

Mit einem gekonnten Konter wie „Danke der Nachfrage, es war sehr gut“ oder durch die Anwendung der Frage-Technik „Was genau meinst Du damit?“ können Sticheleien abgewehrt werden. Ziel ist es, eine Eskalationsdynamik im Ansatz zu stoppen, sich nicht auf offene oder subtile Provokationen einzulassen und die Flucht nach vorn zu ergreifen.

Eskalationsstufen

Wenn es nicht gelingt Emotionen wahrzunehmen und im Zaum zu halten, sind eskalierende Dynamiken die Folge. Schnell wird – gemäß des Konfliktforschers Friedrich Glasl – aus einer 1. Verstimmung (Standpunkte prallen aufeinander), 2. Debatte (schwarz-weiß Denke und Polarisierung), eines 3. ablehnenden, nonverbalen Verhalten, eine 4. Koalitionsbildung (bewusstes schüren negativer Klischees und Zuschreibungen), eine 5. Intrige (dem Ansehen des Anderen schaden), eine 6. bedrohliche Situation (Macht wird ausgeübt, Bedingungen werden diktiert), 7. die Absicht zu schaden (paranoide Deutungsmuster), 8. Zersplitterung (massive Angriffe auf das feindliche System) und eine 9. Skrupellosigkeit (gemeinsam in den Abgrund). Ein Beispiel hierfür sind aktuell die Hasstiraden von Fußballfans, denen sich der 79-jährige SAP-Gründer und Mäzen Dietmar Hopp ausgesetzt sieht.

Die goldene Trigger-Regel

Verbale Trigger, die einen unbewussten wahren Kern berühren, können Auslöser für so manche Überreaktion sein. Genau in dem Moment ist es sinnvoll zu reflektieren, sich die Situation und Reaktionsmuster bewusst zu machen und die Entwicklungsmöglichkeiten zu erkennen.

In der emotional aufgeladenen Situation ist es entscheidend die Nerven zu bewahren, sich nicht zu rechtfertigen oder auf die subtile Provokation einzulassen. Es hilft sich mit gesundem Abstand bewusst zu machen, wie die Situation einzuschätzen ist und Entscheidungen bezogen auf das eigene Verhalten zu treffen.

Letztlich bedeutet es die goldene Trigger-Regel zu befolgen. Und diese lautet

Wann immer sie in emotional aufgeheizten Situationen meinen, reagieren zu müssen, tun sie es nicht. Atmen sie stattdessen tief durch, zählen sie beim Einatmen bis drei und beim Ausatmen bis sechs. Fühlen sie den Boden unter Ihren Füßen und wiederholen sie die bewusste Atmung. So werden sie Ihre Aufgebrachtheit drosseln und wieder in einen entspannten Zustand zurückkehren. Sie werden nicht aus einem Stressmodus heraus mit Angriff oder Flucht reagieren, sondern in der Lage sein überlegt und situationsadäquat zu handeln.

Gemütsverfassung des Leaders

Wer sich nicht provozieren lässt und stattdessen gemeinsam mit anderen nach Lösungen sucht zeigt (Selbst-) Führungs-Kompetenz. Denn die Gemütsverfassung des Leaders ist de facto einer der größten Steuerungshebel. Die offenen, zielführenden Fragen, die gerade in herausfordernden Situationen gestellt werden sind: 1. Was ist los im System? Wo liegen tatsächlich die Ursachen? 2. Was muss getan werden, um das Problem zu lösen? Mithilfe des erweiterten Systemblicks werden die tatsächlichen Ursachen des Problems herausgefunden, bearbeitet und gelöst.

Umgehen mit Gefühlen

Dem Umgang mit Gefühlen kommt nach Golemann – dem Autor des Buches Emotionale Intelligenz – eine entscheidende Bedeutung im Miteinander zu. Führungskräften ist nach Golemann anzuraten, sich mit den fünf Dimensionen emotionaler Intelligenz auseinanderzusetzen und in jeder Situation innere Gelassenheit zu entwickeln. Lernfelder, bei denen er dringenden Nachholbedarf sieht, sind:

Emotionen erkennen

Die eigenen Gefühle erkennen und akzeptieren, während sie auftreten; diese Fähigkeit ist entscheidend für das Verstehen des eigenen Verhaltens und der eigenen Antriebe. Viele Menschen fühlen sich ihren Emotionen gegenüber ausgeliefert, lehnen sie ab und bekämpfen oder vermeiden sie – statt sich der Tatsache bewusst zu sein, dass man Emotionen aktiv steuern und die zugrundeliegenden Themen zur Selbstentwicklung nutzen kann.

Emotionen beeinflussen

Gefühle so handhaben, dass sie der Situation angemessen sind (statt zu dramatisieren oder zu verharmlosen). Dazu gehört die Fähigkeit, sich selbst zu beruhigen und Gefühle der Angst, Gereiztheit, Enttäuschung oder Kränkung abzuschwächen und positive Gefühle zu verstärken. Dies hilft bei der Überwindung von Rückschlägen oder belastenden Situationen.

Emotionen in die Tat umsetzen

Emotionen so beeinflussen, dass sie bei der Erreichung von Zielen helfen. Dies ist der Kern der Selbstmotivation und fördert die Kreativität sowie die Häufigkeit von Erfolgserlebnissen. Dazu gehört auch, dass jemand in der Lage ist, kurzfristige (emotionale) Vorteile und Verlockungen hinauszuschieben (Belohnungsaufschub) und impulsive Reaktionen zu unterdrücken. Diese längerfristige Perspektive ist die Grundlage jeglichen Erfolgs.

Beziehungen gestalten

Die Fähigkeit oder die Kunst der Gestaltung von Beziehungen besteht im Wesentlichen im Umgang mit den Gefühlen anderer Menschen. Es ist die Grundlage für eine reibungslose Zusammenarbeit in nahezu allen beruflichen Umfeldern. Es ist zugleich die Voraussetzung für Wertschätzung, Integration und Erfolg in einer Gemeinschaft.

Leadership bedeutet Emotionen im Zaum zu halten, zu deeskalieren und wirksame Impulse für ein konstruktives, leistungsstarkes Miteinander zu setzen. Es bedeutet verstanden zu haben, dass jeder nur selber entscheiden kann, wie er/sie mit gegebenen Situationen umgeht und welche Gefühle man in sich wecken lässt.

Personal Leadership – der zielführende Umgang mit Emotionen – bedeutet

  1. Verantwortung über das, was im eigenen Inneren geschieht anerkennen,
  2. aufmerksam werden auf die Reaktionsmuster und lernen mit der jeweiligen Situation angemessen umzugehen. Von „Du regst mich auf“ über „Das, was geschehen ist lässt mich wütend werden“ hin zu „Ich erkenne an, dass…“,
  3. Emotionen angemessen kanalisieren und Gefühle wie Wut, Trauer und Angst über Atemtechniken, Meditation, Sport etc. loslassen,
  4. bewusst entscheiden, welches Verhalten in der jeweiligen Situation angemessen, deeskalierend und lösungsorientiert ist und sich entsprechend verhalten.

Die Entscheidung über unser Handeln liegt allein bei uns. Wenn wir uns unser Verhalten bewusst machen, dann können wir es auch korrigieren und Herausforderungen als das annehmen, was sie tatsächlich sind: Chancen zu – persönlichen – Wachstum.

Wir bieten in unterschiedlichen Formen (Einzelberatung, Leadership-Forum) Reflexions- und Entwicklungsraum für einen zielführenden Umgang mit emotional herausfordernden Leadership-Situationen.

Schicken Sie mir gerne Ihre Kommentare, Fragen, Anliegen.


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